Wie sieht der soziale Zusammenhalt in 20 Jahren aus?

Projekt „Sozial 2035“ liefert wichtige Bausteine für eine Zukunftsdebatte in der StädteRegion Aachen

Datum:
Do. 15. Dez. 2016
Wie leben wir in 20 Jahren zusammen? Still und leise sind in den letzten drei Jahren vier Szenarien entwickelt worden, wie der soziale Zusammenhalt in der StädteRegion Aachen in zwei Jahrzehnten aussehen könnte.

Ziel des Projektes „Sozial 2035“ ist es, frühzeitig die Weichen zu stellen für ein gelingendes Miteinander.

Am Freitag, 9. Dezember 2016, wurden in Aachen die vorläufigen Ergebnisse der Studie präsentiert. 50 Entscheider und Köpfe des sozialen Lebens in der StädteRegion nahmen sie entgegen. Im Vorfeld hatten sie sich über Interviews und Workshops in das Projekt eingebracht.

Manches ist nach der Verdichtung und Systematisierung durch die beteiligten Wissenschaftler über das Jahr 2035 klar: Es wird weiter eine eher enge Decke der Finanzierung sozialer Dienste erwartet. Und das Thema Zuwanderung wird uns weiter begleiten, auch über Flüchtlinge hinaus.

Alles Andere hängt davon ab, wie der Rahmen auf den verschiedenen politisch zuständigen Ebenen ausgestaltet wird. Und in einem zweiten Schritt auch davon, wie Kommunen und freie Träger die finanziellen und institutionellen Spielräume vor Ort aufgreifen und ausreizen werden.

Darüber gilt es in den Augen der Projektverantwortlichen schon heute eine Verständigung anzustoßen - im Sinne der Menschen, die vom aktuellen Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft abgehängt werden, zu Gunsten des sozialen Friedens und der Demokratie.

Fragen gilt es zu klären: Wollen wir mehr oder weniger sozialen Zusammenhalt? Wollen wir mehr oder weniger Wettbewerb unter den Trägern sozialer Dienste? Wollen wir mehr Einheitlichkeit der Dienste oder wollen wir mehr Passgenauigkeit? Nur eine Auswahl der Dinge, die zu diskutieren sind.

In welchem Spannungsfeld Kommunen agieren, zwischen dem Auftrag der Daseinsfürsorge und den ordnungspolitischen Maßgaben, machte eingangs die Sozialdezernentin der StädteRegion, Edeltraud Vomberg, deutlich. Dies bedinge eine stetige kritische Prüfung der Soziallandschaft. Vomberg setzt auf eine bewusstere Sozialplanung.

Auf dieses Ziel hob auch der Sozialdezernent der Stadt Stolberg, Robert Voigtsberger, ab. Er verbessert gerade die Grundlage seiner Kommune, mit Armutslagen gezielt umzugehen. Unter Beteiligung von 2.000 Menschen wird ein Sozialbericht entwickelt, aus dem sich ein Leitbild und Maßnahmen ableiten lassen.

Norbert Wörman, Leiter der Fachstelle für sozialraumorientierte Armutsbekämpfung NRW, begleitet diesen Prozess in Stolberg, wie auch andere in der StädteRegion. Für ihn ist dabei nicht die akute Hilfe, sondern die Prävention der rote Faden, der sich als Leitgedanke durch allen sozialpolitischen Einsatz ziehen soll.

Dass ein ständiger Ausbau des Wissens allein nicht zum Ziel führt, ist die Überzeugung von Ulrich Deller. Der Professor der Katholischen Hochschule NRW plädiert für eine forcierte Umsetzung dessen, was sich aus dem bereits vorhandenen Wissen ergibt. Solche Anreize wie die vorgestellten Szenarien könnten dabei hilfreich sein.

In eine ähnliche Kerbe schlug Peter Brendel. Als Vorsitzender des Dachverbandes „Pro Arbeit e.V.“ sieht er den Ausblick auf die finanzielle Ausstattung von Kommunen für soziale Aufgaben kritisch. Er fordert er mehr Planungssicherheit für die Träger sozialer Dienste. Die Zerstückelung und Befristung von Projekten gefährde die Finanzierung der Dienste und bedrohe deren Wirksamkeit.

Es bleiben also weiter dicke Bretter zu bohren. In welche Richtung gebohrt wird, dazu liefern die Szenarien Angebote, sich zu orientieren. Die Ergebnispräsentation von „Sozial 2035“ markiert so gesehen keinen Schlusspunkt, sondern einen Auftakt zu weiteren regionalen Beratungen.

Eine zentrale Herausforderung werde die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft sein, betonte Zukunftsforscher Klaus Burmeister. Damit müssten sich Kommunen und Träger sozialer Dienste auseinandersetzen. Neue Bildungskonzepte seien der Schlüssel zu einer Antwort auf den Wandel.

Stoff satt zum Nachdenken und Aushandeln für alle, denen die Zukunft wichtig ist. Mit ihrer Veranstaltung am 9. Dezember legten die Projektverantwortlichen rund um Christina Herrmann vom Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath und Klaus Dosch von Faktor X Agentur der indeland GmbH einen Grundstein.

Infos und Kontakt

Die Ergebnisse von „Sozial 2035“ sind in einer 160-seitigen Broschüre zusammengefasst. Daten und Fakten sind lebendig kombiniert mit Erzählungen, Sprichworten, Zitaten und vielem mehr. Mehr dazu bei Christina Herrmann, Tel. 02406/9558-24, christina.herrmann@nbh.de .

Das Projekt wurde vom Bistum Aachen gefördert. Als Regionalwissenschaftlerin begleitete Daniela Schiffler das Vorhaben. Und Ulrike Stehling brachte ihre Kompetenzen als Autorin und Gestalterin ein. Mehr zu all dem unter www.sozial2035.de .