Europäische Solidarität mit der Ukraine, ganz konkret

Reportage Ukraine-Hilfe 01 (c) NBH
Reportage Ukraine-Hilfe 01
Datum:
Do. 28. Apr. 2022

Eine Delegation aus Deutschland flog und fuhr zu einem Erasmus-Seminar in Rumänien. Und half dort, dass Spenden gezielt bei Geflüchteten aus der Ukraine ankommen

Der Krieg in der Ukraine geht mit unveränderter Härte weiter. Das Nell-Breuning-Haus mobilisiert seine Möglichkeiten, betroffenen Menschen zu helfen. Dazu gehören Solidaritätsaktionen und Spendenaufrufe, die befreundeten osteuropäischen Bildungshäusern aus dem Netzwerk des Europäischen Arbeitnehmer-Zentrums (EZA) zugutekommen. Diese Einrichtungen erhalten Geld und Sachmittel, um Geflüchtete aus der Ukraine zu versorgen. Mitarbeiter:innen des Nell-Breuning-Hauses packen in allen Etappen dieser Hilfe an, hier wie auch im Ausland.

 

Kürzlich konnte eine Delegation aus dem Umfeld des Nell-Breuning-Hauses aktiv vor Ort mitwirken, im Grenzgebiet zur Ukraine, auf rumänischem Boden. Vorausgegangen war dem ein Spendenaufruf, dem ein großes Echo folgte. Die Idee: gezielt dringend benötigte Gegenstände mit nach Rumänien zu nehmen, wo ohnehin eine internationale EZA-Konferenz geplant war. Rainer Rißmayer vom Nell-Breuning-Haus verzichtete auf den Komfort der Flugreise und trat mit einem Van die lange Fahrt gegen Südosten an. Der Transporter war bis oben voll mit gespendeten und gekauften Hilfsgütern. Das passend zu packen, brauchte die Hände und Köpfe einiger Kolleg:innen.

Beim Tagungsort trafen mit und mit alle ein, auch die anderen Mitglieder der Delegation aus Deutschland. So wie alles im Moment anders ist, Tagesordnungen umgeworfen werden, so war es auch bei dem Erasmusseminar. Mit Gewerkschaftsvertreter:innen aus Rumänien, Bulgarien, Litauen, Estland, Belgien und Portugal wurde nicht nur wie im Projektfahrplan von „migrantwork in europe“ geplant über die Nöte in der Wanderarbeit gesprochen, sondern das Thema kam auf den Tisch, wie sich Geflüchtete aus der Ukraine unterstützen und an ihren Zufluchtsorten integrieren lassen.

Durch die Nähe des Konferenzortes zur Grenze war der Krieg in den Köpfen präsent, stellten sich mulmige und zwiespältige Gefühle ein, wie Dr. Christina Herrmann vom Nell-Breuning-Haus erzählt. „Es ist verrückt, wir sind auf einem Erasmusseminar in Rumänien, feiern Europa, denken und leben Europa und nur 200 Meter weiter wird eben das bedroht, was wir uns auf dem Seminar zusichern, die Freiheit, Europäer:innen zu sein.“ Später wird Christina Herrmann mit ihrem Kollegen Benjamin Hoven noch unmittelbarer mit der bedrückenden Realität von Parallelwelten konfrontiert sein.

Dem Konferieren über unwürdige Lebens- und Arbeitssituationen und Möglichkeiten, die Situation in der Wanderarbeit zu verbessern, folgte handfestes Anpacken im lokalen Hilfsnetzwerk, in Kooperation mit dem Partner IFES unter Leitung von Silviu Ispas. Die Hilfsgüter aus Herzogenrath wurden zu einem Lager gebracht, in denen gezielt Transporte zu Flüchtlingsheimen vorbereitet wurden. Für Pastoralassistentin Anna Kobylecka aus Heinsberg, die gemeinsam mit Propst Markus Bruns teilnahm, ein besonderer Moment, in der Halle mit Menschen aus so vielen Nationen anzupacken. Zuhause, bei Amos, hat sie dasselbe gemacht – die Solidarität ist europäisch, das erlebt sie hautnah.

Es gibt unendlich viel zu tun. Gabi Hoppe und Franziska Suran vom Nell-Breuning-Haus halfen, in einem Lager private Sachspenden zu sortieren. Im besten Willen hatten die Privatleute sie in Kartons gepackt. Um nun gezielt Geflüchtete unterstützen zu können, mussten alle Kartons entpackt und die Gegenstände sortiert werden. So erst können so unterschiedliche Hilfsgüter wie Konserven, Babynahrung, Hygieneartikel und Kleidung effektiv verteilt werden. Das war echt Arbeit. In drei Stunden schafften Gabi Hoppe und Franziska Suran, fünf Paletten zu sortieren. Und schon kam ein LKW, der die Sachen abholte und an die entsprechenden Adressen auslieferten, nahmen die beiden zufrieden zur Kenntnis.

Es gab viele gute Gespräche, oft mit Händen und Füßen. Mit Spendengeldern konnten weitere Hilfsmittel vor Ort gekauft werden, um die Arbeit in den befreundeten Bildungseinrichtungen zu unterstützen. Dazu gehörten zum Beispiel eine Tonne Mehl und Backzutaten. Rainer Rißmayer zieht angesichts dieser Erfahrungen eine beflügelte Bilanz: „Die Dankbarkeit der Ukrainer am Umschlagplatz beim Entladen des Vans hat für jede Mühe während der Fahrt entschädigt und ermutigt, weitere Hilfen zu organisieren. Allen Spender:innen ein herzlicher Dank für die Unterstützung! Jede Dose Lebensmittel, jedes Stück Seife und jede Decke und alles andere waren willkommene und benötigte Hilfe.“

Christina Herrmann und Benjamin Hoven begleiteten einen Transport bis an die Grenze. Das in sich unfassbar vielschichtige Geschehen am Fährhafen haben bei ihnen tiefe Eindrücke hinterlassen: Männer, die in den Krieg zogen, während von der Gegenseite Frauen, Kinder und Haustiere kommen. Traumata und Zerrissenheit in den Gesichtern der Flüchtenden, Freude in den Gesichtern der Helfer:innen über die Hilfe aus Deutschland – alles nebeneinander und gleichzeitig. Die Flüchtlinge werden in provisorisch ausgestatteten, kalten Zelten empfangen, in bitterer Armut, mit großer Herzlichkeit. Die enorme Hilfsbereitschaft der Freiwilligen – einfach unvergesslich. Und im Hinterkopf immer der mörderische, brutale Krieg, auch wenn die Kämpfe nicht zu sehen und zu hören sind.

 

Die Hilfsaktion geht weiter

Die Hilfe schreitet fort, die Solidarität ebbt nicht ab. Es wird weiter Geld gesammelt, so kamen zum Beispiel in den letzten Wochen 555 Euro zusammen, 1 Euro pro Übernachtung für die Ukraine-Hilfe. In Gedanken und Gebeten versammeln sich am Samstag, 30. April, um 18 Uhr Menschen in der Kapelle des Nell-Breuning-Hauses zu einem gemeinsamen Gedenken an die Opfer des Krieges und in der Sehnsucht nach Frieden. Und am 1. Mai wird das Nell-Breuning-Haus für seine Hilfsaktion Flagge auf dem Aachener Katschhof zeigen: bei der Kundgebung für die Arbeitnehmerrechte, die es schon immer auch osteuropäisch mitgedacht hat. So setzt das Bildungshaus wie in friedlicheren Zeiten Zeichen für eine europäische Zivilgesellschaft, zusammen mit seinen Partnern aus dem Netzwerk von EZA.

 

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Do. 28. Apr. 2022
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