Ein wichtiger Zwischenschritt, der viele Fragen offenlässt

Die katholische Kirche in Deutschland steht vor der überfälligen Novellierung ihres Arbeitsrechtes – Im Fokus einer Fachveranstaltung im Nell-Breuning-Haus: die Grundordnung und ihre Loyalitätsobliegenheiten

Dr. Manfred Körber (l.) im Austausch mit Prof. Dr. Ansgar Hense und Margherita Onorato-Simonis (c) Thomas Hohenschue
Dr. Manfred Körber (l.) im Austausch mit Prof. Dr. Ansgar Hense und Margherita Onorato-Simonis
Datum:
Mo. 26. Sept. 2022

Lange nicht für möglich gehalten, gerät das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland in Bewegung. Ein Meilenstein bei seiner überfälligen Novellierung ist möglicherweise eine Beschlussfassung durch den Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz im November 2022. Konturen, wohin die Reise gehen könnte, zeichnen sich dank eines sehr offenen Prozesses ab. Und doch ist das Ergebnis dieser breiten Konsultation offen, denn das Loslassen alter, in ihren Augen unverrückbar mit der Lehre der Kirche verbundenen Grundsätze fällt manchen der beteiligten Bischöfe sichtlich schwer.

Zur Disposition steht vor allem das Vorgabenkorsett, das sich Grundordnung nennt und sich noch in zutiefst intime Lebensfragen und in die Lebensführung der Mitarbeitenden einmischt, etwa in Bezug auf ihre sexuelle Identität und Orientierung oder auf ihre Partnerschafts- und Ehesituation. Bei einem Austausch im Nell-Breuning-Haus mit Mitarbeitervertretungen aus dem Bistum Aachen machte Prof. Dr. iur. Ansgar Hense deutlich, dass die Kirche diese Erneuerungsdiskussion allerdings nicht nur aus eigenem Impuls führe. Vielmehr sorgten gesellschaftlicher und politischer Druck, manifestiert in Gerichtsurteilen und Gesetzesvorhaben, sowie die wachsende Not des Fachkräftemangels dafür.

Als wahren Veränderungsbeschleuniger markierte der Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands die Initiative #outinchurch, die das Leid von Menschen sichtbar machte, die nach den Buchstaben der in der Grundordnung fixierten Loyalitätsobliegenheiten nicht bei der Kirche arbeiten dürfen. Diese Vorschriften endlich fallenzulassen, ihre Geltung unmissverständlich aufzuheben, wäre bereits jetzt in jeder Diözese möglich gewesen, betonte Prof. Hense. Aber für eine rechtssicheren, entschiedenen Umgang mit dem bestehenden Recht – in Form einer ausdrücklichen Aufhebung von Normen oder einer förmlich angeordneten Nichtanwendung – fehlte es vielerorts wohl an Mut und Entschlossenheit. Wortreiche Erklärungen allein hälfen nicht weiter, um den betroffenen Mitarbeitenden die nötige juristische und psychische Sicherheit zu vermitteln.

Unter dem Strich wird die Novellierung des kirchlichen Arbeitsrechtes, wenn sie nach dem aktuellen Entwurf durchkommt, diese Sicherheit trotz exponentiell anwachsender bischöflicher Erläuterungen herstellen. Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, insbesondere das Beziehungsleben und die Intimsphäre, wird nach Verabschiedung der neuen Grundordnung rechtlichen Bewertungen entzogen. Im Gespräch mit den Mitarbeitervertretungen wurde deutlich, dass die Kirche damit nur neuen Gerichtsurteilen und einer neuen Gesetzeslage vorwegkomme, die ihre bisherige Praxis einkassiere. Die Zeit für eine rigide Regulierung des Privatlebens läuft ab, die Kirche muss immer stärker und plausibel argumentieren, wenn und warum sie Sonderrechte in Anspruch nimmt.

Braucht es daher überhaupt noch ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht? Prof. Hense sieht diese gesellschaftliche Debatte kommen. Die jetzt diskutierte Novellierung bewertet er als wichtigen Zwischenschritt. Vieles sei noch im Entwurf nicht zu Ende gedacht, etwa die Einbeziehung des Ehrenamts in den Geltungsbereich der künftigen Grundordnung. Das kritisierte auch Margherita Onorato-Simonis, als Hauptabteilungsleiterin im Bischöflichen Generalvikariat Aachen Vertreterin der Dienstgeberseite, bei der Diskussion mit Mitarbeitervertretungen. Und auch der Kirchenaustritt als Kündigungsgrund oder Grund zur Nichtanstellung ist eine Vorgabe, die in der Praxis nicht eingehalten werden kann, so dass wieder einer willkürlichen Auslegung Tor und Tür geöffnet ist, hieß es beim angeregten Austausch in Herzogenrath.

So ist es nur gut, dass Beobachtung und Evaluierung der neuen rechtlichen Vorgaben gleich mit in den Katalog geschrieben werden, unterstrich Prof. Hense. Als spannenden Wechsel der Perspektive bewerten sowohl der Staatskirchenrechtler als auch die Hauptabteilungsleiterin, dass künftig stärker als die einzelnen Mitarbeitenden die jeweilige kirchliche Einrichtung im Blick steht, was die Verantwortung für die Einhaltung kirchlicher Grundsätze betrifft. Die Dienstgeber müssten über Leitbildprozesse und Fortbildungen ihr katholisches Profil klären und im Alltag verankern. Das fordert heraus und könnte zugleich eine Antwort darauf sein, wie sich auch ohne besonderes Recht Bindung fördern lässt.

An anderen Stellen zeigt sich das kirchliche Arbeitsrecht weiter unbeweglich, was in Herzogenrath aus Sicht der Mitarbeitervertretungen kritisch kommentiert wurde. Zwei Punkte des so genannten Dritten Weges, der über die eigenen Rechtsnormen abgesichert ist, seien besonders herausgegriffen: die so genannte Dienstgemeinschaft und das fehlende Streikrecht. Um den Anspruch einer Augenhöhe zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung herzustellen, seien dringend Bestimmungen einzuschreiben, die eine solche Ebenbürtigkeit im Alltag einer Einrichtung herstellen. Auch beim Streikrecht zementiere das Verbot das Gegenteil, nämlich ein klares Machtgefälle. Außerdem falle man durch den Verzicht auf öffentlich sichtbare Arbeitsniederlagen Beschäftigten gleicher Berufe gleicher Branchen in den Rücken bei nötigen politischen Auseinandersetzungen.

Genug Aspekte, um miteinander im Gespräch zu bleiben. Im Nell-Breuning-Haus werden die Mitarbeitervertretungen im Bistum Aachen geschult. Und es ist zugleich ein anerkannter Ort, wichtige Debatten zu führen, wie sich auch an diesem Abend zeigte. In der Begegnung und Vernetzung liegt die Kraft, wie auch die mitveranstaltende Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (DiAG MAV) weiß. Alle Beteiligten gingen mit der Verabredung auseinander, den Dialog fortzusetzen. Nach November weiß man vermutlich mehr, wie das kirchliche Arbeitsrecht der Zukunft aussehen soll, und dann geht es im nächsten Schritt darum, die richtigen Schlussfolgerungen für den Bereich des Bistums Aachen zu ziehen. Hier angesichts der gewaltigen Anforderungen in der Personalbindung und Personalgewinnung den gewünschten Geist einer echten Dienstgemeinschaft walten zu lassen, könnte reiche Früchte für alle Seiten erbringen.