Frauen arbeiten um jeden Preis? Das muss endlich aufhören!

Abschlusstagung eines Erasmus+-Projektes im EZA-Netzwerk beleuchtete die Kluft zwischen Rechten und Realität von prekär beschäftigten Frauen. Großer Handlungsbedarf auf allen Ebenen

Finale von Work at all costs (c) Thomas Hohenschue
Finale von Work at all costs
Datum:
Mo. 7. Okt. 2024

Die Gleichstellung der Geschlechter: Auf dem Papier gab es in den letzten Jahren etliche Verbesserungen. Richtlinien auf europäischer Ebene haben an vielen Stellschrauben gedreht, um Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben abzubauen, Diskriminierung und sexueller Belästigung vorzubeugen. Heute lässt sich jedoch feststellen: Die tatsächliche Umsetzung dieser guten Vorgaben lässt auf sich warten, während das politische Pendel im Zuge eines Rechtsrucks in die Richtung traditioneller Rollenbilder zurückschwingt.

Ein herausforderndes Fazit des Erasmus+-Projektes "Arbeiten um jeden Preis", das nach 30 Monaten intensiver Zusammenarbeit von fünf Mitgliedern des Europäischen Zentrums für Arbeitnehmerfragen (EZA) am 2. Oktober 2024 mit einer internationalen Fachtagung im Nell-Breuning-Haus endete. Karin Reisige als Projektleiterin und Dr. Christina Herrmann als Fachbereichsleiterin freuten sich über den regen Zuspruch. Angereist waren Delegationen aller Projektpartner aus Litauen, Italien, Polen und Bulgarien.

Es muss weitergehen in der Gleichstellung, befand die Schirmherrin des Projekts, die Europaabgeordnete Sabine Verheyen, inzwischen Erste Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes. Aus eigenen biografischen Bezügen kennt sie die Benachteiligung von Frauen, die in der Armutsfalle landen, weil sie zu Gunsten von Familie und Mann beruflich zurückstecken. In einer bewegenden Art und Weise macht der Film des Projektes "Arbeiten um jeden Preis" mit Interviews die bedrängte Lebenslage betroffener Frauen sicht- und spürbar.

"Ohne wirtschaftliche Unabhängigkeit ist alles nichts", verwies Projektleiterin Karin Reisige auf ein Kernproblem. Solange ökonomische und rechtliche Strukturen so sind, wie sie sich allenfalls zäh in Kleinstschritten ändern, so lange können viele Frauen nicht frei über ihr Leben entscheiden. Das hat viele Folgen, teils fatale, zum Beispiel wenn sie in gewalttätigen Beziehungen bleiben, weil sie ansonsten auf der Straße landen. Auch emotional und sozial belastet das Arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen enorm.

"Jede dieser Geschichten ist eine zu viel", sagte EZA-Generalsekretärin Sigrid Schraml. Zugleich betrifft die Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Aufgaben in der Sorgearbeit sehr viele Frauen in Partnerschaften, erst recht, wenn Kinder im Spiel sind oder Angehörige Pflege brauchen. Ein Leben lang wird ein Unterschied gemacht, wer sich um familiäre, partnerschaftliche, haushaltsbezogene oder auch soziale Aufgaben in einer Beziehung kümmert. Und der Unterschied, der gemacht wird, fußt in überlieferten Rollenbildern.

Folgt man dieser Analyse von Sascha Verlan, Buchautor und Mitinitiator der Equal-Care-Initiative, kommt dem Bildungswesen eine große Verantwortung zu. Das fängt bei den Schulen an, die ganzheitlicher auf das Leben vorbereiten sollen, bis hin zu Bildungsträgern, Gewerkschaften und anderen sozialen Organisationen, wie sie sich zum Beispiel beim Projekt "Arbeiten um jeden Preis" engagieren. Sabine Verheyen unterstrich das: "Wir brauchen Menschen wie Sie, die das Anliegen der Gleichstellung in die Breite tragen."

Ein Curriculum aus dem Projekt heraus soll diese Aufklärungs-, Bewusstseins- und politische Arbeit unterstützen. Eine Frucht von hoffentlich vielen des 30-monatigen Projekts, sagte Sigrid Schraml. Aus ihrer Arbeit im Netzwerk weiß sie, wie schwer messbare Fortschritte bei der Gleichstellung zu erzielen sind. Zugleich beobachten alle mit Sorge, wie überkommen geglaubte Rollenbilder nicht nur in der europäischen Parteipolitik stärker werden, sondern auch in der Bevölkerung wachsenden Zuspruch finden, vor allem bei jungen Männern.

Finale "Arbeiten um jeden Preis"

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