Gestaltungsräume suchen und finden, anstatt sich an der unperfekten Welt abzuarbeiten

In der Lausitz ist mit langem Atem eine zivilgesellschaftliche Plattform für Bürgerbeteiligung aufgebaut worden. Bei den RevierDialogen inspirierte das Beispiel für die Weiterarbeit im Rheinischen Revier

RevierDialog 25.04.2024 (c) thh
RevierDialog 25.04.2024
Datum:
Do. 25. Apr. 2024

Was kann das Rheinische Revier von der Lausitz lernen? Thema der neuesten Ausgabe der RevierDialoge am 25. April 2024, diesmal im Nell-Breuning-Haus. Digital zugeschaltet waren Dagmar Schmidt, die Vorsitzende des Vereins "Lausitzer Perspektiven e.V.", und ihre Mitstreiterin Yvonne Mahlo. 

Beide Braunkohlereviere stecken spätestens seit dem Ausstiegsbeschluss in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Hier wie dort dominieren technokratische Konzepte im geschlossenen Resonanzraum von Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Gestaltungsaufgabe wird reduziert auf ökonomische Aspekte. Halbherzige Beteiligungsversuche versanden, zeigen keine nachhaltigen Effekte.

Dagmar Schmidt ist eine Freundin klarer Worte und man ahnt, wie stark sie in der Lausitz über eine zivilgesellschaftliche Mitgestaltung des regionalen Strukturwandels verhandelt. Bürgerbeteiligung heiße ehrliche und gleichberechtigte Teilnahme und Teilhabe der Menschen, sagt sie. Wenn das Maßstab ist, dann sieht sie bei den offiziellen Versuchen ein Scheitern auf ganzer Linie. Es sei nicht immer Widerwille, der echte Bürgerbeteiligung verhindere, sondern schlichtes Unvermögen.

Pragmatismus ist das zweite Prinzip der Vorsitzenden. Anstatt sich an der unperfekten Welt abzuarbeiten, sucht und findet sie mit ihren Mitstreitenden Gestaltungsräume. Mit langem Atem hat der Verein eine wirksame Struktur der Bürgerbeteiligung aufgebaut. Die Vorlaufzeit betrug zehn Jahre - da haben die zivilgesellschaftlichen Akteure im Rheinischen Revier noch eine Wegstrecke vor sich, wollen sie es gleichtun.

An fünf Standorten in der Lausitz übernehmen Vereine und Initiativen die Aufgabe, mit den Menschen herauszufinden, was sie brauchen und tun wollen. Bei der intensiven Vernetzungs- und Beratungsarbeit wird auch die Kooperation mit Kommunen gesucht, um einen guten Rahmen für aktives Mitgestalten der Bürgerschaft zu schaffen. Dagmar Schmidt hält es dabei so: keine geschlossenen Türen eintreten, sondern die Eingänge wählen, bei denen die Tür schon ein wenig geöffnet ist.

Nüchtern blickt die Vorsitzende auf die prinzipiell besseren Voraussetzungen, die in Westdeutschland herrschen, mit starken Verbandsstrukturen und Stiftungen zum Beispiel. Gemessen an ihren Möglichkeiten machten die zivilgesellschaftlichen Akteure bislang zu wenig aus diesen Stärken. Dazu trage sicher bei, dass sie wegen hart geführter Auseinandersetzungen der Vergangenheit an entscheidenden Stellen ein Image- und Vertrauensproblem hätten.

Diese ehrlichen und pragmatischen Worte aus der Lausitz vermittelten eine Menge Anknüpfungspunkte zum Weiterdiskutieren im Rheinischen Revier, ganz im Sinne der RevierDialoge. Diese führen den konstruktiven Dialog über die Zukunftschancen in der Region fort, wie ihn ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis bei der 5. Entwicklungskonferenz im Juni 2023 eröffnet hatte.