Christa Nickels, eine der „Unbeugsamen“ in der jüngeren deutschen Parlamentsgeschichte, zum erkämpften Fortschritt in der politischen Partizipation von Frauen
„Politik ist eine viel zu ernste Sache, um sie allein den Männern zu überlassen“: Dieses Zitat stammt von Käte Strobel, die sich von 1966 bis 1972 in zwei Bundesregierungen als Bundesministerin engagierte. Die Sozialdemokratin gehörte zu den Pionierinnen, die sich in den westdeutschen Parlamenten der Nachkriegszeit beharrlich einen Platz im politischen Willensbildungsprozess eroberten. Der Journalist Torsten Körner zeichnet in seinem aktuellen Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ diesen mühsamen, von zahlreichen Diskriminierungen und verbalen Übergriffen begleiteten Weg nach. Brilliant gefilmt und erzählt, macht der Film beklemmend klar, wie stark und unbeugsam Frauen zu sein hatten und weiterhin zu sein haben, um sich im demokratischen Prozess gegen Männerseilschaften und Männerkumpanei durchzusetzen.
Zu den Zeitzeuginnen, die im Film zitiert werden, gehört Christa Nickels von Bündnis 90/Die Grünen. Die gelernte Intensivkrankenschwester gehörte dem Deutschen Bundestag fast zwei Jahrzehnte an und arbeitete rund drei Jahre als parlamentarische Staatssekretärin am Bundesgesundheitsministerium. Nun war sie zu Gast im Nell-Breuning-Haus, um im Nachgang zur Filmaufführung mit vielen Frauen aus der kfd im Bistum Aachen über die Mechanismen in den Männerwelten von Politik und Kirche zu sprechen. Als Frau müsse man ackern wie ein Pferd und ein dickes Fell haben, sagte sie. Kraft für diese Kärrnerarbeit bezogen und beziehen viele aus der Vernetzung mit anderen Frauen. Meilensteine der Parlamentsgeschichte wie die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe dank Gesetz von 1997, das Gewaltschutzgesetz von 2002 und den Ausbau der Förderung von Frauenhäusern oder das Antidiskriminierungsgesetz von 2006 erzählen solche Geschichten zuhauf.
Christa Nickels betonte, dass in den letzten Jahrzehnten, letztlich sogar Jahrhunderten mutige und starke Frauen Breschen geschlagen haben in die dicken Mauern, die Männer errichtet haben. In diese Breschen nun hineinzugehen, sie zu nutzen, sei das Gebot der Stunde, um den Blickwinkel und die Weite von Frauen in die Gestaltung von Politik und Gesellschaft einzubringen. Auch die Institutionen selbst, ob Parteien und Parlamente oder die katholische Kirche, seien gut beraten, sich weiter zu öffnen, sagte die ehemalige Staatssekretärin. Junge Frauen gingen heute dahin, wo sich ihnen Chancen zur Entfaltung bieten. Für die demokratischen Institutionen sieht Christa Nickels großes Potenzial, da ließe sich viel erreichen. Bei der katholischen Kirche zeigte sie sich eher skeptisch angesichts der Machtverhältnisse. Die Kirche hinke dem menschheitsgeschichtlichen Fortschritt weit hinterher, das könne sie sich aber gar nicht leisten, tue es aber weiterhin. Den Bischöfen, die Anschluss suchten, gelte es den Rücken zu stärken.
Ausruhen auf dem Erreichten geht gar nicht, machte Christa Nickels deutlich. Das Errungene müsse man gemeinsam verteidigen, festigen und ausbauen, sagte die erfahrene Parlamentarierin. Und sie schaute dabei auf Rückwärtsbewegungen, die sich beobachten lassen, etwa im restriktiven neuen Abtreibungsrecht im Nachbarland Polen oder im Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt. Auch in Deutschland gebe es weiter viel zu tun, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Stichwort Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Viel gefordert, könne die Politik hier mit gutem Beispiel vorangehen. Die skandinavischen Länder zeigten, dass sich ein erfolgreiches Wirtschaften durchaus sehr gut mit familienfreundlichen Arbeitszeiten verbinden lasse. Einen solchen Kulturwandel zu gestalten, brauche einen langen Atem und die genannte Kraft der Vernetzung. Ein Verband wie die kfd kann sie leisten, gemeinsam mit Verbündeten, und es braucht Orte und Partner wie das Nell-Breuning-Haus, die einen entsprechenden Rahmen bieten.