Der Kohleausstieg 2030 steht im Rheinischen Revier. Stark umstritten ist, ob das reicht, das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad Erhitzung zu erreichen. Eines bewirkt das vorgezogene Datum in jedem Fall: Es erhöht den Druck, den überfälligen Strukturwandel zu gestalten. Dabei drohen klassische industrielle Konzepte zu dominieren. In der Reihe „RevierDialoge“ laden Bistum Aachen und Nell-Breuning-Haus ein, über Alternativen auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung nachzudenken.
Den Auftakt am 24. Januar 2023 in Erkelenz prägte ein Blick auf die dramatischen Konsequenzen von Unfrieden und Ungerechtigkeit für die Zukunftsaussichten der Menschheit. Eines vorweg: Die Bilanz dessen, was zurzeit sowohl regional als auch global geschieht und was jeweils nicht geschieht, fällt düster aus. Und doch zeigen Modellprojekte in Deutschland und anderen Teilen der Erde, dass es anders geht. Kann das Rheinische Revier in diesem Sinne Modellregion werden?
Zur Bestandsaufnahme: Als profunder Kenner der Sicherheitspolitik sezierte der Aachener Journalist Otmar Steinbicker die fatalen Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Weltklima und Sicherheitslage. Diese reichen von den direkten Emissionen durch Kriegsgerät und Kriegshandlungen in Atmosphäre, Böden und Wasserkreislauf über die Fehlbindung von Kräften und Finanzen ans Militär statt an die dringend erforderliche Transformation Richtung Klimaneutralität bis hin zum Ende der globalen Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik in existenziellen Fragen.
Der Herausgeber des Friedensmagazins aixpaix.de ordnete das Ganze in einen größeren Kontext ein. In Sicherheitskreisen würden angesichts mangelhaften klimapolitischen Elans weltweit mit drei Grad Erderwärmung gerechnet. Die Szenarien prognostizieren extreme Hitzewellen und weitreichende Überflutungen, die ganze Regionen unbewohnbar machen. Neben massiven Migrationsbewegungen würden auch Verteilungskonflikte etwa um Trinkwasser die internationalen Spannungen schüren. Nach dieser Lesart wird die Zukunft der Menschheit alles andere als friedlich sein.
Wie lässt sich da gegensteuern? Was braucht es, neben dem Ende des Kriegs? Was können wir alle tun, als Gesellschaft, Politik, Kirche, Wirtschaft und Wissenschaft? Für diesen Teil des Themas rückte Madeleine Alisa Wörner die Aufmerksamkeit auf Ansätze, die Hoffnung auf eine Wende im Kleinen wie im Großen wecken. Die energiepolitische Referentin des Bischöflichen Hilfswerks Misereor engagiert sich für alternative Herangehensweisen an die skizzierte Herausforderung. Sozialökologische Transformation soll so spannungsarm wie möglich gestaltet werden.
Dieses Vorgehen fasst Misereor unter dem programmatischen Wort „Friedensenergien“ zusammen. Dahinter steckt das Bestreben, partizipativ an einer besseren Zukunft zu arbeiten, in der alle Menschen würdevoll leben. Der Schlüssel dazu steckt in Ablösung der bisherigen fossilen Industrien mit Raubbau an Natur, Klima und Mensch der Fokus auf erneuerbare Energien, dezentral und bezahlbar für alle zugänglich, mit gerecht beschafften Rohstoffen. Zu beachten ist dabei auch, dass bisherige technikfixierte Denkweisen überwunden und Privilegien losgelassen werden.
Der Impuls der Misereor-Referentin wurde von Gästen des Abends inspiriert aufgenommen. Fazit: Es dürfte sich lohnen, trotz aller aktuellen Verwerfungen rund um Lützerath mit Bewohnerschaft, Initiativen und Akteuren aus der Region über Vorhaben mit Friedensenergien zu sprechen. Die fünf Erkelenzer Dörfer, die erhalten bleiben, könnten hier bundesweit beachtet neue Akzente im Strukturwandel setzen. Schließlich gibt es schon an mehreren Standorten in Deutschland Dörfer, die energiepolitisch autark sind und mit Windkraft und Solarkraft sogar Überschüsse fürs Gemeinwesen erwirtschaften. Warum sollte das hier nicht auch gehen? Nur ein Beispiel, was etwa im Zuge der Beratungen in der Demokratiewerkstatt Rheinisches Revier entstehen könnte.