Rechtspopulistische Parteien bemühen gerne das Bild einer Kluft zwischen Stadt und Land. Nach ihrer Erzählung leben auf dem Land politisch benachteiligte bodenständige Leute, während die Stadt abgehobene, elitäre Milieus anziehe, die in etablierten Parteien das Sagen hätten. Im Osten scheint diese Erzählung in der Fläche zu verfangen, im Westen ist das Bild auf dem Land differenzierter. Was kann politische Bildung dem Trend entgegensetzen?
Eine Fachtagung am 27. und 28. November 2024 im Herzogenrather Nell-Breuning-Haus umriss die Herausforderung. Dies bedeutet zunächst einmal, das Narrativ der Rechtspopulisten zu hinterfragen. Dr. Theresa Bernemann von der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität hat in ihren Analysen herausgefunden, dass die Trennlinie bei den Wahlerfolgen rechtspopulistischer Parteien beim näheren Hinsehen nicht zwischen Stadt und Land verläuft.
Der entscheidende Faktor beim Wahlzuspruch besteht im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmen, innerhalb dessen sich Menschen bewegen und entscheiden. Das zeigt der Blick auf das Wahlverhalten in Nordrhein-Westfalen. Prekär aufgestellte Regionen, in denen sich viele Menschen vom allgemeinen Wohlstand und der Gesellschaft abgekoppelt fühlen, weisen die höchsten Wahlergebnisse rechtspopulistischer Parteien und Kandidaten auf.
Dieser Zusammenhang ist deutlich stärker als der behauptete Gegensatz von ländlichem zu städtischen Leben. Dieser ist statistisch ohnehin im Westen Deutschlands weniger trennscharf, weil die Bevölkerungsdichte auch in Gebieten relativ hoch ist, die als ländlich bezeichnet werden. Vor allem aber fühlen sich einige Städte und städtische Quartiere abgehängt und wählen verstärkt rechts, während etwa das wohlhabende Münsterland konservativ wählt.
Dem Gefühl des Abgehängtseins entgegenwirken
Politische Bildung ist im städtischen Umfeld stärker repräsentiert und aktiv als im ländlichen Raum. Dem Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Dr. Guido Hitze, ist es vor diesem Hintergrund ein großes Anliegen, demokratische Beteiligungsprozesse auch in Landkreisen zu fördern. Als geeignetes Instrument sieht und unterstützt er Demokratiewerkstätten wie im Rheinischen Revier und in Ostwestfalen-Lippe mit ihren partizipativen Impulsen.
Zivilgesellschaftliche Netzwerkarbeit steht im ländlichen Raum oft noch am Anfang. Darin liegt die große Chance, Neues zu erproben. Die Selbstwirksamkeit etwa junger Menschen zu fördern, stärkt die Demokratie. Die Sicht marginalisierter Bevölkerungsgruppen einzuholen und in Projekte münden zu lassen, wirkt dem Gefühl des Abgehängtseins entgegen. So lautet die beispielgebende Erfahrung aus Quartiersprojekten.
Als ein anderes, noch einmal weiter gedachtes Modell von Partizipation im ländlichen Raum rückte die Fachtagung im Nell-Breuning-Haus Ökodörfer in den Blick. Dieses Konzept von Dorf- und Lebensgemeinschaften verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, wie Dr. Anne-Kathrin Schwab und Tabea Heiligenstadt am Beispiel von neun Wohngemeinschaften in vier Dörfern im Raum Vechta skizzierten.
Unabhängig davon, wie weit das Verständnis von Teilhabe und nachhaltiger Entwicklung reicht, bekommt es jede zivilgesellschaftliche Innovation mit etablierten Strukturen zu tun. Die Erfahrung hier wie dort lautet, dass der Versuch, bürgerschaftliche Beteiligung in die regionale Zukunftsdiskussion einzuflechten, auf Widerstände stößt. Diese rühren aus starken politischen und wirtschaftlichen Interessen oder aus kulturellem Unbehagen und Unverständnis.
Der in Herzogenrath begonnene Austausch über politische Bildung im ländlichen Raum soll fortgesetzt werden, vereinbarten Nell-Breuning-Haus, Akademie am Tönsberg und Landeszentrale für politische Bildung. Zum Beispiel liegt die Frage einer Aktualisierung des Beutelsbacher Konsenses auf dem Tisch. Wie kann politische Bildung stärker die emotionale Seite politischer Debatten aufgreifen, ohne gegen die eigene Selbstverpflichtung auf Sachlichkeit und Neutralität zu verstoßen? Die Zeit drängt, die Demokratie zu stärken.