Menschen, die länger als ein Jahr Arbeit suchen, werden von der Statistik als „langzeitarbeitslos“ geführt. Hinter diesen nackten Zahlen stecken persönliche Schicksale, biografische Brüche, gesundheitliche Barrieren. Und ein Alltag ohne die Struktur und Kollegialität einer Erwerbsarbeit ist kein Zuckerschlecken. Langzeitarbeitslosigkeit belastet und macht krank.
Wir vom Nell-Breuning-Haus bewahren uns den Blick auf den einzelnen Menschen. Wir verstehen Langzeitarbeitslosigkeit als strukturell bedingtes Problem. Der Arbeitsmarkt ist ungerecht, wie auch der Wohnungsmarkt, das Bildungswesen und das Gesundheitssystem. Wir möchten, dass die betroffenen Personen diesen Teil ihres Lebens besser verstehen, und wir möchten sie stärken.
Dreimal im Jahr schenken wir Langzeitarbeitslosen aus dem Bistum Aachen daher Zeit. Wir treten mit ihnen aus dem Alltag heraus und beschäftigen uns mit Themen, die ihnen wichtig sind. Sie nehmen eine Auszeit von ihrem Status der Langzeitarbeitslosigkeit, erfahren sich als Menschen, die persönliche Erfahrungen, Erlebnisse, Gefühle und Gedanken miteinander teilen.
So geht es um die Brüche ihrer Biografien, die Zerrissenheit ihrer Situationen. Aber es geht genauso um ihre Hoffnungen, Sehnsüchte und Träume. Sie überlegen, was sich gesellschaftlich und politisch ändern muss, damit die Verhältnisse sich verbessern. So bekommen die gemeinsamen Auszeiten eine politische Dimension, verknüpft mit einer erfrischend bodenständigen spirituellen Erfahrung.
Dafür steht auch Pfarrer Ralf Linnartz, der als Mitarbeiter des Bistums Aachen für „Pastoral der Arbeit“ die Teilnehmenden begleitet. Mit ihm können die Frauen und Männer Pferde stehlen. Das heißt, sie können mit ihm erzählen und lachen, aber sie können auch ernste Themen ansprechen, in der Gruppe oder auch allein. Das ist etwas Besonderes für Menschen, die im Alltag oft einsam sind.
Das Projekt „Geschenkte Zeit – Zeit zum Leben“ wird seit mehr als zehn Jahren vom Bistum Aachen gefördert. Es ist eine gute Antwort auf die ungeklärte Frage, wie die Gesellschaft Langzeitarbeitslose besser behandeln kann. Häufig fühlen sich die Betroffenen darauf reduziert, dass sie Geld kosten, und sie leiden unter den Klischees, die dazu kursieren. Bei uns im Nell-Breuning-Haus erfahren sie sich als gleichwertige Menschen.