Maria berichtet von ihrem Alltag: Die 34-jährige ist alleinerziehende Mutter eines dreijährigen Sohnes. Der Vater kümmert sich nicht. Seit sie Unterhalt einfordert, hat er offiziell plötzlich nicht einmal mehr ein Auto. Wenn der Kleine in der Kita ist, arbeitet sie von 8-14:30 Uhr in einem Drogeriemarkt. Zweimal die Woche passt die Oma am späten Nachmittag auf das Kind auf. Dann arbeitet Maria für eine Reinigungsfirma und reinigt die Gänge und Zimmer einer Grundschule. Ihre Arbeitgeber finden sie „nicht flexibel genug“ und fordern mehr Einsatzbereitschaft in den „Randzeiten“. Sie fürchtet um ihre Jobs. In einer Gewerkschaft ist sie nicht. Sie hat Angst, dass die Mitgliedschaft auf ihrem Lohnzettel das Aus für ihre Arbeit bedeutet.
Keine Zeit, wenig Geld, schwer erreichbar. Genau jene Zielgruppe also, der wir uns als Bildungshaus, das mit dem Leitspruch „Arbeit und Menschenwürde“ operiert, verpflichtet fühlen. Mit starken Partnerinnen an unserer Seite rücken wir diese Zielgruppe in den nächsten Jahren im Rahmen unseres Erasmus+ Projekts „Arbeiten um jeden Preis?“ in den Mittelpunkt unserer Arbeit. Auf unserem zweiten europäischen Treffen in Brixen hatten wir zahlreiche Fragen an unsere eigenen Angebote: Wie können wir als Verbund von Bildungshäusern und Gewerkschaften die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen verbessern? Sind unsere Angebote für sie auffindbar, bezahlbar und mühelos erreichbar? Wen müssen wir schulen, damit diese Frauen „by the way“ die Informationen, Hilfestellungen und Angebote erhalten, die sie benötigen? Finden ihre Themen in unseren Angeboten hinreichend Beachtung? Wie können wir auch andere Einrichtungen und Organisationen motivieren, sich für genannte Frauen zu engagieren oder ihre Anliegen besser in den Blick zu nehmen? Festgehalten haben wir erste Standards für ein zielgruppen- und geschlechtergerechtes Angebot, das nun hoffentlich schnell bei unseren Netzwerkpartner*innen und natürlich bei den Frauen direkt landet.
Wir bedanken uns an dieser Stelle für die guten und kreativen Ideen und das große Engagement für die Frauen seitens unserer Partnerinnen im Projekt: Arbeiter-, Freizeit- und Bildungsverein (Bozen, Italien), SOLIDARUMAS (Vilnius, Litauen), PODKREPA (Sofia, Bulgarien) und Fundajca Nowy Staw (Lublin, Polen). Wir danken der Generalsekretärin des Netzwerkes EZA (Europäisches Zentrum für Arbeitnehmerfragen), Sigrid Schraml, für die Beteiligung am Treffen. EZA mit seinen 70 Mitgliedsorganisationen in 29 europäischen Ländern ist unser zentraler Partner für die politische und praktische Umsetzung des Projekts.
Fragen an das Projekt oder Lust, mitzumachen? Wenden Sie sich gerne an Karin Reisige (karin.reisige@nbh.de oder 02406 – 9558 12)